Schwarz, Rot und Grün haben sich auf einen Kompromiss verständigt. Investitionen in die Infrastruktur unterliegen doch der Zusätzlichkeit. Dazu sollen 100 Milliarden in den Klimafonds fließen.
Nach Informationen von Tagesspiegel und RND haben sich die Parteien auf folgende Details verständigt: Investitionen in das Sondervermögen für die Infrastruktur sollen der Zusätzlichkeit unterliegen. Darauf hatten vor allem die Grünen gedrungen, weil sie fürchten, dass Union und SPD sonst schon laufende Projekte oder konsumtive Staatsausgaben darüber finanziert hätten. Zudem sollen 100 Milliarden Euro des 500-Milliarden-Sondervermögens in den Klima- und Transformationsfonds (KTF) fließen. Am Vortag hatte Friedrich Merz den Grünen noch 50 Milliarden dafür in Aussicht gestellt.
Gegen Mittag hieß es aus Verhandlungskreisen, die Verhandlungen seien erfolgreich abgeschlossen. Bei den Grünen wirkt man bereits jetzt sehr zufrieden mit den Zugeständnissen, die erreicht werden konnten. Dass mit dem Sondervermögen nun offenbar keine Wahlgeschenke von Union und SPD finanziert werden sollen, stößt auf Genugtuung. „Merz muss seine Sondierungen jetzt bei Null beginnen“, sagt ein Grüner dem Tagesspiegel.
Das ist richtig, aber der Haushaltsstreit und die interne Instabilität der Regierung (danke auch an die FDP) und die wirtschaftlichen Probleme, die aus dem Investitionsstau herrühren, haben durchaus auch ihren Beitrag dazu geleistet, dass populistische Narrative wie “Habeck deindustrialisiert Deutschland!!” besser aufgenommen wurden.
Das stelle ich nicht infrage. Es fuckt mich nur ab, dass wir aktuell so gute Chancen haben und anstelle diese auszubauen legen wir den Rückwärtsgang ein. Die ökonomischen und ökologischen Rahmenbedingungen werden in Zukunft langfristig nie wieder so gut sein wie jetzt, und dadurch verspielen wir unser Handlungsfenster.
Auch das stelle ich nicht infrage. Nur sollte auch klar sein, dass die meisten dieser “bouncebacks” mit immensen menschlichen Kosten erkämpft und bezahlt wurden. Das ist im Endeffekt unnötiges Leid und Tod, den wir hier billigend hinnehmen, wenn wir solange abwarten, bis wir uns wieder aus dem Mist rausziehen müssen. Und weder du noch ich hier in Deutschland gehören zu den Hauptleidtragenden, auch wenn es viele Menschen in DE gibt, die dadurch stärker in Mitleidenschaft gezogen werden.
Wir haben immense gesellschaftliche Fortschritte gemacht, aber aktuell geht es ja um besonders um ökomonische und ökologische Krisen. Salopp gesagt: erst kommt das Fressen und dann die Moral. Ich habe große Bedenken, dass wir diese Errungenschaften ganz schnell rückabwickeln, wenn erstmal die Ressourcenknappheit durch die Klimaschäden so richtig sichtbar wird. Entsprechende Tendenzen sieht man an der AfD sehr deutlich, man beachte wie schnell sich die Perspektivlosen mit völkisch-autoritärem Gedankengut radikalisieren ließen. Und in den USA sieht man, wie schnell es dann gehen kann, was die Rückabwicklung von zivilisatorischen Fortschritten geht. Wenn die Stimmung im Land kippt, wenden sich viele einer starken Führerfigur zu, die die Krise “mit starker Hand bewältigt”. Und was dann passiert, wird denke ich nicht schön sein. Das ist mir auch deshalb so wichtig, weil ich persönlich mehrere Menschen kenne, die unter einer trabsphobe(re)n Gesetzgebung wahrscheinlich heute nicht mehr bei uns wären.
Perfektes Beispiel Impfgegner: In den USA gibts jetzt wieder Masern und Kinderlähmung, obwohl wir aus medizinischer Sicht diese Krankheiten überwunden haben. Eine durch Hyperindividualismus und Wissenschaftsleugnung zerfressene Gesellschaft bekommt es hin, sich selbst zu demontieren, ohne dass äußere Faktoren das überhaupt erzwingen würden. Sobald das noch mit Entbehrung aufgrund von Ressourcenknappheit zusammenstößt, kocht das über. Deshalb habe ich so Schiss vor den zukünftigen Krisen, denn in Deutschland haben wir mit Corona und dem Ukrainekrieg/Inflation gut gesehen, dass ein beachtlicher Teil der Gesellschaft absolut nicht willens ist an Problemlösungsprozessen teilzuhaben, sondern stattdessen blockiert und sich Sündenböcke anderswo sucht. Und das, was wir hier an Entbehrung erbringen mussten, war wirklich vergleichsweise nicht so krass (ohne die Probleme der Betroffenen mit Heizkosten etc. da kleinreden zu wollen), da kommt weitaus Schlimmeres auf uns zu.
Die Überwindung der körperlichen Züchtigung ist auch wieder ein solcher gesellschaftlicher Fortschritt, von dem meine Generation profitiert, ja. Das mit dem jährlichen Thailandurlaub oder den 2 Autos gabs zwar bei mir auch nicht, aber es steht außer Frage, dass das sich heute mehr Leute leisten können als bspw. in den 70ern.
Ich persönlich sehe im Klimawandel wie gesagt eine existenzielle Systemkrise, die in Kombination mit dem Hyperindividualismus das Fortbestehen unserer freiheitlich-demokratischen Gesellschaftsordnung gefährdet. Zumindest beim kalten Krieg usw. gab es ja die Aussicht auf eine positive Lösung oder zumindest eine langfristige Abwendung der Krise UND zumindest ein gemeinschaftliches gesellschaftliches Bewusstsein für die Krise. Beim Klimawandel ist es hingegen sicher, dass er kommt und mit seinen Folgen unsere Gesellschaft zerrütteln wird, während viele die Notwendigkeit von entsprechenden Maßnahmen kategorisch kleinreden oder verneinen und Klimaschutz hinter Wirtschaftswachstum und persönlichen Komfort stellen. Wie stark der Fallout da ausfällt, hängt von unserem Veränderungswillen und unserer Flexibilität ab - wenn ich mir die “ich kann nicht ohne mein täglich Schnitzel”-Fraktion, Dieselentusiasten, Gasheizung-Wutbürger usw. aber anschaue, bin ich mir nicht so sicher, ob wir einen Umdenkprozess rechtzeitig hinbekommen.
All unsere Errungenschaften was Menschenrechte, Demokratie und gesellschaftliche Emanzipation angeht sind hier in Gefahr durch einen Krisenschub + autoritäre Wende zunichte gemacht zu werden, weshalb ich diesbezüglich pessimistisch in die Zukunft schaue. Denn den Ernst der Lage und den unmittelbaren Handlungsbedarf sehen viele eben nicht (danke Springer und fossile Lobby), selbst ein grüneres Weiter-so reicht aus wissenschaftlicher Sicht leider nicht aus. Die Weltwirtschaft ist da zu fragil was Versorgungsengpässe angeht, von der millionenfachen Klimamigration, die auf uns zukommt mal ganz zu schweigen.
Solange wir nicht gesamtpolitisch anfangen die Gretchenfrage zu stellen, wie eine zukunftstaugliche Transformation unserer Wirtschaftsweise und Gesellschaft aussehen muss, bleibe ich pessimistisch. Weil sobald es nicht mehr ignoriert werden kann, ist es eigentlich schon fast zu spät. Und dann fängt eben dieses politische Hickhack wieder an, bei dem sich die “mehr Wirtschaftswachstum”-Fraktion wie Geier auf die stürzen, die zumindest die Notwendigkeit einer Veränderung anerkennen. Und Krise + zerstrittene Mitte = gestärkter Rand.
Das letzte mal Hoffnung hatte ich diesbezüglich so um die Hochphase von FFF herum. Dabei/danach hat sich klar gezeigt, dass das bürgerliche Lager wie auch die ökonomische Elite keinen Bock auf Veränderung hat und lieber unsere Zukunft für ein angenehmes Heute verheizt - die Konsequenzen dürfen wir dann ausbaden.
Ja, das ist in der Tat das Problem. Leider ist demokratische Politik nicht gut in strategischen langfristigen Themen. Da haben Autokratien einen Vorteil im Zeitlauf. Demokratien haben aber glücklicherweise eine Korrekturmöglichkeit.
Ich glaube da greift zu kurz, um den Rechtsruck weltweit zu beschreiben. Die Ursachen sind mit Sicherheit vielschichtiger und haben auch einen guten Teil mit einer „Bevormundung“, Moralisierung und knallharter Machtpolitik bestehender Wirtschaftseliten zu tun. Die Wirtschaft klimaneutral zu gestalten greift so krass in bestehende Machtstrukturen ein durch die Änderung des Wirtschaftens, dass da die Elite stark gegenarbeitet.
Nimm nur die Transformation der Energiebranche: Wärmepumpe, Solaranlage, Windenergie, Kernkraft, Stromnetze. Sowas braucht Zeit und erfährt Gegenwind. Aber ist nun unaufhaltbar und geglückt mit ca 60% Strom aus Erneuerbaren. Das hat aber gut 20 Jahre gebraucht und vermutlich 10 weitere uns abzuschließen. Weitere Branchen sind unterwegs.
Die Industrien zweifeln den Wandel nicht mehr an und stellen sich um. Sieht man nur nicht so gut und das sollte von der Politik unterstützt werden.
Und leider dauert es länger als gehofft.
Da kann ich dir die Sorgen nehmen. Neulich einen guten Podcast von einem holländischem Migrationsforscher gehört. Flüchtende sind keine armen Schweine und Habenixe. Neinnein, die Reisekosten kann sich nur Mittelschicht leisten und aus den ganz armen Ländern flieht daher kaum jemand - kein Geld zur Flucht. Tragischerweise bedeutet das für diese armen Menschen ein noch schlechteres Leben.
Wir sind in unserer Sichtweise näher zusammen als es anfangs schien 😊 Ich teile deine ganzen Bedenken und Analysen. Mein Glas ist allerdings halbvoll und ich sehe was wir schon alles erreicht haben.
MMn hat der Rollback hat mit vielen weiteren Themen zu tun, nicht nur der ökologischen Transformation. Es gibt ja gleichzeitig noch andere langfristige Trends wie demographischer Wandel, Digitalisierung, Individualisierung und Gleichberechtigung/ Privilegienreduktion. Da ist der ökologische Wandel auch nur ein Thema neben vielen. Die Gesellschaft ist allgemein im Wandel. Das ist eine spannende Zeit, da sie den Grundstein des nächsten Jahrhunderts legt.
Und das ist letztlich ein Kampffeld der Mächtigen. Die geben nichts freiwillig her, da muss man beständig kämpfen. Mit langem Atem. Daher versuche ich ja deinen Blick vom Pessimismus wegzulenken zu dem bisher Erreichten. Nicht Verzweifeln sondern Weiterkämpfen! Sonst haben die Mächtigen gewonnen.