Ein klarer Wertekompass, politische Bildung und die Ermutigung, Rassismus entgegen zu treten: Niedersachsens Polizei will sich vor Extremisten schützen. Andere Bundesländer wollen das Konzept übernehmen.
Die wichtigsten Menschen dabei sind die Demokratiepaten: Polizistinnen und Polizisten, die in ihren Dienststellen Besuche von Moscheen, Synagogen oder Gedenkstätten organisieren. Hauptkommissar Michael Butt im Kommissariat Zeven ist so ein ehrenamtlicher Demokratiepate. Sein Ziel: Mit Einsatzkräften ins Gespräch kommen.
Die seien meistens mit Menschen an den Bruchkanten der Gesellschaft und Missständen konfrontiert. Michael Butt sieht die Gefahr, dass sich deshalb Schubladendenken verfestigt: “Wir sprechen nach Einsätzen darüber, was man gesagt hat oder wie man mit einer Person umgegangen ist. Es ist wichtig, dass wir als Polizei Menschen immer wieder frei von Vorurteilen begegnen.”
Mehr als 100 Demokratiepaten sind ausgebildet
Die Idee für die “Demokratiestarke Polizei” entstand 2019. Rechtsextreme Chatgruppen in anderen Bundesländern sorgten für Schlagzeilen, der NSU-Untersuchungsausschuss hatte Empfehlungen auch für Ermittlungsbehörden ausgesprochen.
Carsten Rose, Direktor der Polizeiakademie Niedersachsen, verantwortet das Projekt im Wesentlichen und bringt es gemeinsam mit anderen Führungskräften, der Gewerkschaft der Polizei und Personalvertretungen voran: “Die Polizei kommt ja selten Sonntag nachmittags zum Kaffee trinken, sondern wenn sie gerufen wird, weil etwas schief gelaufen ist. Wir müssen immer wieder vor Augen haben, dass der Mensch im Mittelpunkt steht, egal was er gerade gemacht hat oder was gerade passiert ist. Es geht um Menschenfreundlichkeit und die Werte der Demokratie.”
Auch polizeikritische Töne hören
Die innere Haltung, der Wertekompass von Polizistinnen und Polizisten sei entscheidend dafür, wie die Polizei von der Umwelt wahrgenommen werde. Dazu gehöre, auch Kritik auszuhalten. Mina Amiry vom Verein “Integrationslotsen” war auch schon auf einer Dienststelle eingeladen und findet das Projekt gut: “Die Polizistinnen und Polizisten haben uns zugehört, was wir für Erfahrungen gemacht haben”, beschreibt sie.
Kriminologe Tobias Singelnstein von der Goethe Universität Frankfurt am Main ist als kritischer Beobachter der Polizei zum bundesweiten Kongress, der in Hannover stattfindet, eingeladen: “Es gibt Probleme in der Polizei, wir haben in der Gesellschaft in den vergangenen drei Jahren viel darüber diskutiert. Rechtswidrige Gewaltausübung, Rassismus, Rechtsextremismus und deshalb ist es dringend notwendig, dass sich die Polizei mit den Problemen in den eigenen Reihen auseinandersetzt.”
Projekt auch in anderen Behörden?
Der Verein “Gegen das Vergessen” setzt das Projekt gemeinsam mit der Polizei um. Andreas Voßkuhle, Vereinsvorsitzender und ehemaliger Präsident des Bundesverfassungsgerichts, könnte sich vorstellen, dass es auch auf andere Behörden ausgeweitet werden könnte. “Überall da, wo Vertreter des Staates mit Menschen in Kontakt kommen, wäre es sinnvoll, sich mit den Werten unserer Verfassung zu befassen. Egal ob Jobcenter, Einwohnermeldeamt oder Ausländerbehörde.”
In Niedersachsen ist das Projekt “Demokratiestarke Polizei” in den Leitlinien bereits fest verankert. In Schleswig-Holstein und in Thüringen wollen die Polizeiorganisationen es jetzt einführen.
Gute Sache. Da hatte ich vorher noch gar nichts von mitbekommen. Auch das mit Andreas Voßkuhle ein ehemaliger Präsident des Bubdesverfassungsgerichts dahinter steht ist wohl mehr als erwähnenswert.