Putin und Trump haben sich nach einem Telefonat auf sofortige Verhandlungen über ein Ende des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine geeinigt. Militärexperte Gustav Gressel sieht damit einen Krieg in Europa nahezu unausweichlich kommen – und hat einen dringenden Rat an die deutschen Entscheidungsträger.
US-Präsident Trump und Kreml-Chef Putin haben telefoniert und sich offenbar auf sofortige Verhandlungen zum Ukraine-Krieg geeinigt. Was bedeutet das jetzt militärisch – ist das der Durchbruch zum Frieden?
Gustav Gressel: Das ist nicht der Durchbruch zum großen Frieden, das ist der Durchbruch zum großen Krieg. Jetzt ist es sicher, wirklich sicher, dass es kein auf die Ukraine begrenzter Krieg bleiben wird. Wir werden in den nächsten Jahren, wenn nicht Monaten, einen Großkrieg um Europa haben.
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Und jetzt?
Europa kann aus eigener Kraft die Ukraine nicht im Krieg halten – weder in diesem, noch im Fortsetzungskrieg. Es bringt auch wenig, darüber zu sinnieren, wie man sich mit Trump arrangieren könnte. Er ist ein Feigling, der gegenüber Staaten, die mit ernsten Konsequenzen drohen, sofort zurückschreckt. Er zog schon vor China, Nordkorea und dem Iran den Schwanz ein, jetzt vor Russland. Anstatt nett zu ihm zu sein, braucht Europa Machtmittel, um Gegendruck aufzubauen.
Dabei sollte es keine Tabus geben: sofort aus dem Nichtverbreitungsvertrag auszusteigen, wäre eine überlegenswerte und auch rechtlich berechtigte Drohung. Denn das dieser Trump im Konfrontationsfall das amerikanische nukleare Gewicht in die Waagschale wirft, um einen Angriff auf Europa aufzuhalten, ist äußerst unwahrscheinlich.
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Was müsste Europa jetzt tun?
Wenn wir alle in ein gemeinsames europäisches oder im Extremfall auch deutsches Nuklearwaffenprogramm einzahlen, kommen wir auch auf die Trump-Forderung von fünf Prozent. Das ist aus meiner Sicht die einzige Art und Weise, die europäische Unabhängigkeit und Sicherheit zu bewahren. Wir müssen uns im Klaren sein: Russland geht es nicht um die Ukraine, Russland geht es darum, Europa zu beherrschen. Die Vernichtung der Ukraine ist die Vorbedingung, Europa zu beherrschen – jetzt ist dieses Ziel zum Greifen nah.
Für die deutsche Sicherheit ist es im Grunde unumgänglich, dass man über eine zuverlässige nukleare Abschreckung verfügt. Die amerikanische ist seit den vergangenen Tagen nicht mehr glaubwürdig. Soviel ist klar.
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Naja, das Arsenal der Briten und Franzosen kann den US-Schutzschirm zu diesem Zeitpunkt schlicht nicht ersetzen. Dieser wurde über Jahrzehnte aufgebaut und schließt auch die baltischen Staaten mit ein. Dir Vorstellung wir könnten in Europa innerhalb weniger Jahre einen Schutzschirm aufbauen ist gelinde gesagt naiv. Die französische Armee besitzt nur strategische Atomwaffen. Die werden nicht in direkten Gefechten eingesetzt, sondern über weite Distanz. Konventionelle Abschreckung benötigt aber taktische Nuklearwaffen und strategische Nuklearwaffen.
Aber viel wichtiger ist doch die Frage, wo liegen denn command und control für Europäische Atombomben? Wer entscheidet darüber, die Franzosen?
Ich sage ja nicht, dass wir nicht auf das Angebot der Franzosen eingehen sollten uns in der force de frappe einbringen sollten. Aber dieses mal eben ein paar Atombomben her zaubern ist nun mal Unsinn.
Also mal davon abgesehen das sich hier die Kommentare zu den Fähigkeiten der französischen Nuklearstreitkräfte von unseren wohlbekannten Wohnzimmergenerälen direkt wiedersprechen…
Ist die französische Nuklearstreitmacht explizit zur Abschreckung von Grund auf aufgebaut und auch dazu fähig da sie explizite Zweitschlagfähigkeit hat und damit derzeit jeden Staat auf dieser Erde handlungsunfähig machen kann. Der Rest ist dummes Geschwätz.
Harte Worte! Die Fähigkeit, wirklich jeden Staat auf der Erde jederzeit handlungsunfähig zu machen, würde ich bezweifeln. Um bspw. Peking zu treffen, müsste eine Triomphant im östlichen Mittelmeer oder vor der Küste Norwegens liegen.
Vor dem Hintergrund, dass Frankreich lediglich vier dieser Einheiten hat, kann unterstellt werden, dass maximal zwei, eher ein Schiff zu einem Zeitpunkt im Einsatz ist. Frankreich kann also nur von einem Punkt seine Zweitschlagfähigkeit ausüben. Das bringt Beschränkungen in den Zielen und hebt die Schwelle für einen Einsatz auf “all-in”, denn das U-Boot würde dabei riskieren, seine Position und damit die der französischen Zweitschlagfähigkeit aufzudecken.
Ob das in der Auslegung flexibel genug ist, um beispielsweise auf einen begrenzten Einsatz von Nuklearwaffen in der Ukraine oder im Baltikum reagieren zu können, darf bezweifelt werden. Das müsste man aber glaubhaft darstellen müssen, um Russland von einem solchen Einsatz abzuschrecken.
Das ist ein sehr unrealistisches Szenario daher leider ziemlich müssig zu diskutieren.
Das Baltikum ist viel zu dicht an russischen Ballungsgebieten, mal von Kaliningrad gar nicht zu sprechen als das Russland dort taktische Nuklearwaffen einsetzen würde.
Und der Einsatz von taktischen Nuklearwaffen in einem abgelegenen Gebiet in der Ukraine würde keinen nuklearen Gegenschlag auslösen, egal ob Französisch, Britisch oder Amerikanisch. Das weiß Russland natürlich, aber es gibt andere Gründe warum es ziemlich unwahrscheinlich ist das Russland eine solche Eskalation durchführen würde.
Vollkommen egal wo, jedenfalls müsste Frankreich reagieren beziehungsweise im Vorfeld glaubhaft (!) abschrecken. Die Amerikaner müssten darauf nicht nuklear reagieren, weil sie ein riesiges Arsenal an konventionellem Eskalationspotenzial haben. Es heißt, den Russen wurde recht deutlich mitgeteilt, dass ein Einsatz von Nuklearwaffen die Zerstörung der Schwarzmeerflotte oder direkte Angriffe auf russische Soldaten in der Ukraine nach sich ziehen würde. Von China gab es auch sehr deutliche Worte, munkelt man.
Frankreich hingegen hat keine vergleichbare Bandbreite des konventionellen Eskalationspotenzials. Es kann nicht so glaubhaft die konventionelle Zerstörung der Schwarzmeerflotte androhen und landet daher bei der Abschreckung schneller beim nuklearen Tafelsilber. Mit entsprechend hoher Schwelle und entsprechend geringer glaubhafter Abschreckungskraft jenseits des Schutzes des französischen Kernlandes.
Sollte Europa Platz finden sollen unter dem französischen Nuklearschirm, wäre dieser erheblich auszubauen. In seiner strategischen Komponente, aber in jedem Fall in seiner taktischen. Wir sehen in Deutschland wunderbar den Zweck von taktischen Kernwaffen: in der heutigen Kriegsführung hat ein solcher taktischer Einsatz eigentlich gar keine Relevanz mehr, jedoch stellen die bei uns stationierten Bomben sicher, dass die Amerikaner im Falle eines Angriffs auf uns eingreifen würden. In Belarus wurden ja auch letztes Jahr russische taktische Nuklearwaffen stationiert, die für sich genommen nahezu unbrauchbar sind (Freifallbomben), aber einem Gegner klar signalisieren, dass man im Falle eines Angriffs definitiv eingreift. Genau dies müsste mit französischen taktischen Bomben passieren. Sie müssten nicht nur in Deutschland, sondern in den heutigen Frontstaaten liegen, in Finnland, Estland, Polen, der Ukraine. Nur so ist glaubhaft sichergestellt, dass Frankreich einen Angriff auf beispielsweise Narva nicht unbeantwortet lassen würde.
Davon ab stellt sich natürlich die Frage, wer das bezahlen soll und wie sichergestellt wird, dass beispielsweise eine Präsidentin Le Pen dieses Verteidigungsversprechen nicht so aushöhlen kann wie gerade Trump. So landet man sehr schnell bei der Notwendigkeit von echt europäischen Atomwaffen.
Dein Argument macht logisch überhaupt keinen Sinn. Weil Europa nicht genug konventionelles Abschreckungspotential hat muss also das (eigentlich schon ausreichende) atomare Abschreckungspotential ausgebaut werden? Hä?
Natürlich, du sagst es doch selbst: ein Einsatz von taktischen Nuklearwaffen in peripheren Gebieten (Baltikum, irgendwo da in der Ukraine, Ostsee, Schwarzmeer… würde keinen nuklearen Gegenschlag beispielsweise der Amerikaner auslösen. Gleichzeitig ist der Einsatz von Nuklearwaffen eine definitive rote Linie, die auch so kommuniziert wurde. Die Amerikaner haben den Fundus, um diese rote Linie mit konventionellen Waffen ausreichend zu untermauern und damit überhaupt glaubhaft zu machen. Die Franzosen nicht. Die können ab einer gewissen Schwelle nur noch mit ihren strategischen Nuklearwaffen drohen. Was sie natürlich für so einen Fall nicht machen würden. Also können sie gar nicht drohen und ihr Nuklearschirm ist für diese Fälle nutzlos.
Mit mehr taktischen Nuklearwaffen wären zwar auch mehr Abstufungen androhbarer Vergeltung möglich und damit mehr Reaktionsfähigkeit auf unterschiedliche Intensitäten gegnerischer Angriffe (natürlich müsste ebenfalls der konventionelle Rahmen der Möglichkeiten massiv ausgebaut werden). Primärer Grund für die taktischen Nuklearwaffen ist jedoch ihre Stationierung in den Frontstaaten zum glaubhaften Bekenntnis der unbedingten Verteidigung dieser Länder. Nicht für den Einsatz, sondern als Symbol. So wie die bei uns gelagerten Bomben eigentlich ziemlich obsolet sind, aber ein definitives Versprechen, dass die Amerikaner eingreifen würden.
Du machst es nicht besser. Was für ein Symbol soll das bitte sein? Das ganze Argument macht weder logisch noch in irgendeiner weise konflikttheoretisch Sinn. Den einzigen Sinn den ich erkennen kann ist das du den Einsatz von Nuklearwaffen normalisieren möchstest und irgendwie glaubst das schon gut gehen würde und nicht in einer Eskalationspirale endet 🙄
Wie oben bereits beschrieben: es geht um das Symbol, dass man seiner Verteidigungsverpflichtung definitiv nachkommen wird und zu diesem Zweck höchst sensible eigene Waffen exponiert. Siehe russische taktische Nuklearwaffen in Belarus, siehe amerikanische taktische Nuklearwaffen in Deutschland.
Damit löst man das stets innewohnende Glaubwürdigkeitsdilemma eines Verteidigungsbündnis, das du ja bereits angedeutet hast, dass ein Staat wie Frankreich, Amerika oder Russland seinen Zusagen auch tatsächlich nachkommt, wenn derjenige Staat angegriffen wird.
Im Kalten Krieg in Deutschland hat man das gemacht und uns damit die Sicherheit gegeben, dass man uns wirklich verteidigen würde. Die heutigen Frontstaaten haben das nicht und stehen durch Trump entsprechend nackig und unsicher dar. Das müsste also in einem neuen System unter französischer Führung definitiv behoben werden, um Russland erfolgreich abzuschrecken. Insofern ist es auch besonders zynisch, wenn manche aus deutscher Perspektive, die seit Jahrzehnten sicher unter diesem Schutz leben, die Augen davor verschließen und diesen Schutz den heute besonders betroffenen Staaten verwehren wollen.
Das hat auch nichts mit Normalisierung von Atomwaffen - und erst recht nicht mit deren Einsatz (!), was besonders absurd ist, zumal ich ja explizit schreibe, dass es primär um deren Symbolwirkung geht - zu tun, sondern um die Abbildung des Status Quo. In diesem Augenblick gerade steht sich ein umfangreiches Arsenal auch taktischer Atomwaffen gegenüber. Normalisiert werden muss da gar nichts, es ist bereits normal. Sollen die Franzosen die Fähigkeiten der Amerikaner ersetzen und gleichzeitig das Gleichgewicht und die Glaubwürdigkeit erhalten, sind auch diese Waffensysteme betroffen. So ehrlich muss man sich machen.